Interdisziplinäre Arbeitsgruppe

KONFLIKTLANDSCHAFTEN


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Kalkriese

Die ‚Varusschlacht‘ und ihre Nachprozesse

Als vor mehr als 25 Jahren die interdisziplinären Forschungen in Kalkriese begannen, stand zunächst die Flur „Oberesch“ im Fokus. Man vermutete hier die Hauptfundstelle für die vermutlichen Varusschlacht 9 n. Chr. Es fanden sich nicht nur eine von den Germanen errichtete Wallanlage und Knochengruben, die wohl Reste der von Germanicus im Jahr 15 n.Chr. bestatteten Toten der Varusschlacht enthielten, sondern auch eine große Anzahl von Fragmenten römischer Militärausrüstung. Es zeigte sich, dass hier erhebliche Teile der römischen Armee vernichtet wurden. Zudem eröffneten sich Einblicke in die der Schlacht nachfolgenden Prozesse: Die Unterlegenen wurden systematisch ausgeplündert, die Beute wurde zusammengetragen und wahrscheinlich in einer Waffenschau präsentiert. Anschließend wurde sie aufgeteilt, abtransportiert und zum Teil vor Ort verschrottet.

Der Verlauf der Gefechte ist schwerer zu erschließen. Funde bei großräumigen Geländeprospektionen ergaben ein Areal von mehr als 30 km². Vor einigen Jahren konnte mit der detaillierteren Untersuchung des ausgedehnten Kampfgebietes von Kalkriese begonnen werden. Dabei zeigten sich immer wieder Hinweise auf germanische Siedlungen aus der Zeit um Christi Geburt. Die aktuelle Erforschung dieser versucht, u.a. anhand von Größe und Verteilung der Siedlungen konkrete Informationen vor allem zur einheimischen Infrastruktur, insbesondere zum Wegenetz, und zum Erschließungsgrad der Landschaft zu gewinnen. Kombiniert erhalten wir so eine Vorstellung der Rahmenbedingungen, auf die römischen Truppen stießen und möglicher Siedlungsstrukturen und Versorgungsstrategien der Germanen.

Im Sinne der Konfliktlandschaftsforschung verknüpfen wir dabei siedlungsarchäologische und schlachtfeldarchäologischen Fragestellungen. Die Untersuchung beschränkt die Räumlichkeit militärischer Konflikte nicht auf die Kernzone des eigentlichen Schlachtfeldes, sondern berücksichtigt einen großräumigeren Landschaftsausschnitt. Dieser umfasst unter anderem Aufmarschwege, Marschlager, zerstörte Zivilsiedlungen, sowie Bestattungsplätze, wie z.B. Massengräber. Kalkriese eignet sich besonders für einen derartigen Forschungsansatz, da wir es hier mit keiner klassischen Feldschlacht zu tun haben, sondern einer Folge von Angriffen der Germanen gegen die auf dem Marsch befindliche römische Armee. Damit weitete sich Kampfareals aus und erfordert heute eine großräumigeren Einbeziehung der kulturlandschaftlichen Gegebenheiten.

Dabei fragen wir auch nach dem Verbleib der Beute aus der Schlacht. Wurde sie in entfernte Stammesgebiete abtransportiert, oder verblieben Teile in einheimischen Siedlungen der Region? Zwei Siedlungen, in denen römische Funde entdeckt wurden, konnten inzwischen umfassender ausgegraben werden: Venne-Vorwalde und Kalkriese-Dröge. Die römischen Artefakte sind aber wahrscheinlich nicht als Beutegut, sondern eher als Indizien für Kampfhandlungen an diesen Plätzen zu werten. Zusammen mit den übrigen außerhalb vom Oberesch entdeckten römischen Funden können diese nun mit dem Material der Hauptfundstelle verglichen werden. Sie schaffen so die Grundlage schaffen für eine Rekonstruktion des Kampfgeschehens im Untersuchungsareal zwischen Kalkrieser Berg und Großem Moor.

Team

[NN - Professur für Archäologie im Besetzungsverfahren]

Prof. Dr. Achim Härtling

Dr. Andreas Stele

Dr. Susanne Wilbers-Rost

Dr. Achim Rost 

Kooperationspartner

Museum und Forschungsprojekt Kalkriese

Publikationen

Achim Rost und Susanne Wilbers-Rost: “Conflict Landscape” – eine Schnittstelle zwischen Siedlungs- und Schlachtfeldarchäologie. Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 3, 2013, 148-150.

Achim Rost und Susanne Wilbers-Rost: Kalkriese 6. Die Verteilung der Kleinfunde auf dem Oberesch in Kalkriese. Kartierung und Interpretation der römischen Militaria unter Einbeziehung der Befunde. Römisch-Germanische Forschungen 70 (Darmstadt/Mainz 2012).

Birgit Großkopf, Susanne Wilbers-Rost, Achim Rost: The Ancient Battlefield at Kalkriese. In: M. Harbeck, K. v. Heyking, H. Schwarzberg (Eds.), Sickness, Hunger, War, and Religion. Multidisciplinary Perspectives. RCC Perspectives 2012/3. (München 2012) 91-111.