Interdisziplinäre Arbeitsgruppe

KONFLIKTLANDSCHAFTEN


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Vossenack Ridge

‚Flüchtige‘ Schlachtfelder als Konfliktlandschaften erschließen

Aus dem Kartenbild eingemessene US-amerikanische Stellungen und durch Overflächenprospektion lokalisierte deutsche Positionen © IAK 2015

Überreste deutsche Stellungslöcher am Waldrand © IAK 2015

Bei Grabung freigelegte US-amerikanische Mörsergranate © 2015

Gefechtsfeld ohne Oberflächenbefunde © IAK 2015

'Vossenack Ridge' im Luftbild © IAK 2015

Aus Lagekarten eingemessener Verlauf der US-Amerikanischen Hauptkampflinine © IAK 2015

Magnetometrische Prospektion © IAK 2015

Auf Gefechtsfeldern moderner Kriege lassen sich mit Hilfe der Magnetometrie auch bei heute unauffälliger Oberfläche (Konfliktlandschaft Typ 3) beispielsweise Stellungsbauten oder Granateinschläge nachweisen. Ihre Befunde erlauben es Kampfhandlungen zu verorten und ihre Intensität abzuschätzen. Damit wird die Magnetometrie in der Zusammenschau mit konventionellen Quellen zu einem wertvollen Korrektiv bzw. einer wichtigen Ergänzung dort überlieferter Informationen. Das Zusammenführen der verfügbaren Quellen, vom Magnetogramm über historische Akten, Karten und Abbildungen bis zu Erzählungen von Zeitzeugen entsteht ein mehrdimensionales Bild eines Konfliktortes.


Der Erprobung und Verfeinerung dieses Verfahrens dient die Fallstudie ‚Vossenack Ridge‘, die sich auf einen Ausschnitt des Gebietes konzentriert, in dem im November 1944 die so genannte „Allerseelenschlacht“ um die Ortschaften Vossenack, Kommerscheid und Schmidt als Teil der Kampfhandlungen im Hürtgenwald tobte.

Das Ziel der Studie ist es, durch die Integration eines breiten Spektrums von Quellen und Befunden einen neuen Zugang zu den Ereignissen in Vossenack Anfang November 1944 zu finden, und die Ergebnisse in Beziehung zu Narrativen zu setzen, die in der Forschung aber auch in der regionalen Überlieferung kursieren.

Über mehrere Prospektionskampagnen und Recherchen in deutschen und us-amerikanischen Archiven konnten bisher folgende Materialien erhoben werden

  • magnetometrische und archäologische Befunde
  • Aktenüberlieferung der US-Armee
  • veröffentlichte Erlebnisberichte deutscher und us-amerikanischer Soldaten
  • Befunde der Kampfmittelräumung nach 1945
  • regionale Überlieferungen
  • illegale Bodeneingriffe nach 1945 (Raubgrabungen)

Zugleich fassen wir das Untersuchungsgebiet im Hürtgenwald als einen über Jahrzehnte durch Erinnerungszeichen markierten, kommentierten und schließlich überformten Erinnerungsort auf. Die Studie interessiert sich daher für die Beziehung zwischen kommemorativen Praktiken und Artefakten einerseits und historischen Narrativen andererseits. Dieses Arbeitsfeld erschließt maßgeblich die forschende Kunst. Neben einer Aufnahme und Interpretation zählt zu den wesentlichen Projektzielen auch die Entwicklung von Perspektiven einer künstlerischen und didaktischen Aufarbeitungen, die die eigenen Forschungsaktivitäten als Gegenstand durchaus einschließen, denn auch unsere Aktivitäten sind nur eine Facette des Nachlebens historischer Konfliktlandschaften.

Narrating a Battle gone all wrong

Im Herbst 1944 rückten Verbände der US-Armee aus Belgien vorstoßend auf die Eifel vor, um nach einer Überschreitung des Mittelgebirgszuges über Düren die Stadt Köln und den Rhein zu erreichen. Die Beschaffenheit des Geländes unterschätzend, mit widrigen Wetterbedingungen konfrontiert und auf sich versteifenden Widerstand der Wehrmacht treffend, zogen sich die Kämpfe bis in den Februar 1945 hin. Sie entwickelten sich für die US-Armee ausgesprochen verlustreich.

Die Operationen der 28. Infanteriedivision der US-Armee zwischen den Ortschaften Vossenack und Schmidt in der ersten Novemberhälfte 1944 bilden in der zweiten Phase der Kämpfe. Dem Verband wurde der Befehl erteilt, von einer Ablauflinie westlich der Ortschaft Vossenack mit einem Angriffskeil in Richtung Hürtgen vorzustoßen. Eine zweite Angriffsspitze sollte das Kalltal durchschreitend auf die Ortschaft Schmidt vorrücken. Am östlichen Ausgang der Ortschaft Vossenack, die ebenfalls erobert werden sollte, hatte ein Bataillon des 112. Infanterieregiments, das zur 28. Infanteriedivision gehörte, das Zentrum des Divisionsbereiches zu decken und einen möglichen Gegenstoß der Wehrmacht aus dem Kalltal heraus auf die Ortschaft abfangen.

Zwischen dem 1. November und dem 7. November sicherte das Bataillon auf einer nach Osten abfallenden Hügelflanke diesen Bereich, wobei sich die Soldaten nicht nur schwierigen Wetterbedingungen sondern auch intensivem Beschuss ausgesetzt sahen. So löste ein deutscher Gegenangriff am Morgen des 6. November eine Panik unter den Soldaten aus. Sie flohen aus ihren Stellungen zurück in die Ortschaft Vossenack. Dieser Zwischenfall trug unter hohem Verlust zum Scheitern der US-amerikanischen Angriffsoperation bei. Noch heute gilt diese als Exempel für eine gescheiterten Großoperation.

Die Ereignisse auf dem Hügelrücken ‚Vossenack Ridge‘, eigentlich einem Nebenschauplatz der ‚Allerseelenschlacht‘ um die Ortschaften Schmidt und Kommerscheidt, können bis heute als nur unzureichend erforscht gelten. Es liegen zwar zahlreiche Berichte amerikanischer und deutscher Zeitzeugen vor und auch die US-amerikanischen Operationsakten sind weitgehend vollständig überliefert. Gleichwohl zeichnet die Literatur ein eher oberflächliches Bild, das sich überwiegend unkritisch auf die Berichte von Veteranen stützt und die unterschiedlichen im Quellenmaterial verfügbaren Perspektiven kaum zusammenführt.

Das Projekt lokalisiert erstmals das eigentliche Gefechtsfeld, hinterfragt das überlieferte Narrativ und bietet eine quellenkritische Rekonstruktion der aufgezeichneten Versionen des Gefechstverlaufs, die ihrerseits mit den archäologischen und magnetometrischen Befunden abgeglichen werden.

Tagungsbeiträge zum Teilprojekt

  • Konfliktlandschaften. Konturierung eines interdisziplinären Ansatzes, Vortrag im Rahmen der Tagung Polesien als Interventionslandschaft am Herder Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg, 22. November 2017.
  • An occurence at Vossenack Ridge: Reading ‘hidden’ battlefields of modern warfare as conflict landscapes @ EAA (http://www.eaa2017maastricht.nl/), August 2017.
  • Konfliktlandschaften. Interdisziplinäre Perspektiven auf ein Forschungsfeld im Werden, Vortrag im Rahmen der Tagung „Konfliktlandschaften“ – Eine interdisziplinäre und intertemporale Annäherung an topologische Zäsuren, Kunsthalle Osnabrück, 9./10. Juni 2016. 
  • ‚Flüchtige‘ Schlachtfelder als Kriegslandschaften entschlüsseln. Interdisziplinäre Ansätze zwischen Magnetometrie, Archäologie und Geschichtswissenschaft, Vortrag [mit Andreas Stele] im Rahmen der Tagung Kriegslandschaften: Gewalt, Zerstörung und Erinnerung (19.-21. Jh.) des Historischen Seminars sowie des Instituts für Volkskunde/Kulturanthropologie der Universität Hamburg in Kooperation mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Hamburg, 27.-29. März 2015

Team

Prof. Dr. Christoph Rass (Projektkoordinator)

Sebastian Bondzio, MA

Prof. Dr. Andreas Brenne

Dr. Andreas Stele

Malte Schwickert, MA

Lukas Hennies, MA

 

Kooperationspartner

Konejung Stiftung: Kultur, Müddersheim, Achim Konejung

Publikationen

[mit Andreas Stele] „Flüchtige“ Schlachtfelder. Eine interdisziplinäre Prospektion des „Vossenack Ridge“, in: Varus Kurier (17/2015), S. 10-11.

Rass, Christoph: Die Gegenwart der Vergangenheit am Westwall, in: Geschichte, um zu verstehen. Traditionen, Wahrnehmungsmuster, Gestaltungsperspektiven, herausgegeben von Detlev Schmiechen-Ackermann u.a., Gütersloh 2013.

Christoph Rass: Der „Westwall“ im Rheinland. Geschichte und Erinnerung, in: Burgen, Befestigungen, Bunker, herausgegeben von Winfried Heinemann u.a., Potsdam 2012, S. 63-82.

Christoph Rass & Jens Lohmeier: Transformations. Post battle processes on the Hürtgenwald battlefield, in: Journal of Conflict Archaeology (6/2011), S. 179-199.

Christoph Rass, Peter M. Quadflieg & Jens Lohmeier: Das “Schlachtfeld Hürtgenwald” als Schauplatz und Erinnerungsort, in: Das Monschauer Land, Jahrbuch 2011, S. 147-157.

Christoph Rass, René Rohrkamp & Jens Lohmeier: Wenn ein Ort zum Schlachtfeld wird. Zur Geschichte des Hürtgenwaldes als Schauplatz massenhaften Tötens und Sterbens seit 1944, in: Geschichte in Köln (56/2009), S. 299-332.

Christoph Rass: Die Bedeutung des Westwalls für die nationalsozialistische Politik und Kriegführung: in: Zukunftsprojekt Westwall. Wege zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit den Überresten der NS-Anlage, herausgegeben von Frank Möller und Karola Fings, Köln 2008, S. 49-58.

Christoph Rass, Peter Quadflieg (Hg.): Kriegserfahrung im Grenzland. Perspektiven auf das 20. Jahrhundert zwischen Maas und Rhein, Aachen 2014.

Christoph Rass, Winfried Heinemann und Martin Hofbauer (Hg.):
Burgen, Befestigungen, Bunker, Potsdam 2013.