Interdisziplinäre Arbeitsgruppe

KONFLIKTLANDSCHAFTEN


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Ergebnisse der Georadarprospektion

Mit Hilfe des Georadars lassen sich die magnetometrischen Befunde generell schnell überprüfen und ggf. weiter differenzieren. Als aktives Verfahren emittiert das Georadar eigens erzeugte Mikrowellenimpulse, empfängt die von Objekten oder Schichtdiskontinuitäten im Untergrund reflektierte Teile dieser Wellenimpulse zurück und visualisiert die dabei entstandenen Reflexionsmuster in einem sogenannten Radargramm in Echtzeit.

Abb. 9: 250MHz-Radargramm des Georadarprofils GP2 oben und unten die Interpretation des Radagramms unter Einbezug der Erkenntnisse aus der Pürckhauer-Bohrung (zur Verortung des Radargramms und des Bohrprofils s. Abb. 7, zur näheren Beschreibung der Schichten vgl. mit Tab. 1). Die Schichtreflexionen mit Fragezeichen könnten auf längsgeschnittene Grablagen deuten (vgl. mit Abb. 3).

Da das Verfahren eigene Wellen erzeugt und sie wieder empfängt, ist es im Vergleich zur Magnetometrie weniger anfällig für elektromagnetische Störungen. Der größte Vorteil des Georadars, neben seiner Schnelligkeit und geringer Anfälligkeit für Störungen, ist die Möglichkeit der Realisierung einer echten Tiefendimension. Das Radargramm zeigt quasi ein Bodenprofil, das einem tiefen, archäologischen Schnitt ähnelt, dessen „Wand“ betrachtet werden kann. Gerade wegen der Erfassung der Tiefendimension ist das Georadar eine notwendige Ergänzung zur Magnetometrie innerhalb der Methodenkette der IAK, denn die Magnetometrie bietet keine mit dem Georadar vergleichbare Tiefendimension. Außerdem hat sich die Radartechnologie - v. a. in Kombination mit anderen geophysikalischen Methoden - in vergleichbaren Untersuchungen bereits bei der Detektion von Grablagen bewährt [Fernández-Álvarez et al. 2016; Bevan 1991; Stele et al. 2020].

Zu den deutlichen Nachteilen des Georadars gehört der Umstand, dass die Radargramme schwer zu interpretieren sind. Sehr viele Aspekte, etwa Boden- und Sedimentbeschaffenheit, Feuchte, dielektrische Eigenschaften des untersuchten Bodens usw. müssen bei der Interpretation beachtet werden. Daher ist es weiterführend zunächst das Georadarprofil GP 2 in Verbindung mit der Pürckhauer-Bohrung in Abb. 9 zu betrachten (zur Lage des GP 2 s. Abb. 7). Mit dieser Profilmessung wurden keine Grablagen durchdrungen, sondern – so suggerieren es zumindest die Ergebnisse der Bohrung und die Georadar-Messergebnisse – der Steg zwischen zwei Reihen von Gräben (vergleich mit Abb. 3). In diesem Steg ist teilweise der ursprüngliche bzw. wenig gestörte Teil des Bodens vor der Anlage des Friedhofs „gespeichert“. Zwecks Gewinnung dieses Standardprofils wurde die Pürckhauer-Bohrung abgeteuft. Im Bohrgut konnten geoarchäologisch insgesamt 3 Straten/Schichten differenziert werden (s. Tab. 1).

Stratum/Schicht und vermutete Substratgenese

Tiefe der Unterkante unter Geländeoberfläche (in cm)

Kurzbeschreibung

I, anthropogen verkipptes, natürliches Substrat

~50

verkippte, grusreiche Schüttung aus ehemaligem Pflughorizont

II, vermutl. natürlich, vermutl. spätpleistozänes Äolium

~70

grusarmer bis -freier, schluffiger Lehm

III, natürlich, Unterdevon

ab ~70 und tiefer

felsiger, Ton-, Schluff- und Sandstein

Tab. 1: Differenzierung des Standardbodenprofils im Bereich des Grabes von Walter Model und Hermann Henschke.

Diese grobe Dreiteilung der Schichten lässt sich auch im Radargramm auf Abb. 9 beobachten. Durch die Schicht I bewegen sich die Wellenimpulse aufgrund der geringen Substratdämpfung (Attenuation) sehr schnell durch und treffen in etwa 50cm Tiefe auf die Schicht II. Dort, an der Grenze zwischen den beiden Schichten, werden viele Wellen intensiv zurück reflektiert. Viele Impulse dringen aber auch durch, diese werden wiederum an der rauen Grenze zwischen Schicht II und III zurück reflektiert. Einige Wellen gelangen aber noch in tiefere Felsschichten hinab und werden auch dort mit noch genügender Intensität reflektiert, sodass die Georadarantenne diese „Reflexion an Schichtgrenzen“ wieder empfangen kann (s. Schichtreflexion in etwa 2m Tiefe in Abb. 9).   

Abb. 10: Die Radargramme des Georadarprofils GP1 (zur Lage s. Abb. 7): oben 700MHz, in der Mitte 250MHz, unten beide Radargramme überblendet mit Interpretation. ACHTUNG: alle roten Linien sind Annäherungen, s. dazu Erklärungen im Text. Sterne auf dem unteren Interpretationsbild markieren Reflexionsmuster, die auf Objekte/Funde zurück zu führen sind.

Die in anderen Radargrammen (GP1 und GP3) sichtbar gestörte Schichtung des Standardprofils wurde beim Anlegen der Grablagen bzw. bei den damit zusammenhängenden Grabungstätigkeiten verursacht. Dies lässt sich am Georadarprofil GP1 sehr gut veranschaulichen (Abb. 10). GP1 „schneidet“ das Grab im Süden, also auf der Seite, auf der laut Grabstein-Aufschrift Hermann Henschke ruht, von Südwest nach Nordost und schneidet auch weitere Grablagen in der unmittelbaren Umgebung des Model-Grabes bzw. des Grabes von Hermann Henschke (vgl. m. Abb. 2). Die beiden Radargramme, die bei dieser Profilmessung erzeugt worden sind, und ihre Interpretation, sind in Abb. 10 dargestellt.

Zunächst wird deutlich, dass die Schichtreflexion zwischen den Schichten II und III nicht so deutlich auftritt wie in GP2. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass sich die Schicht II im Rahmen von Grabungstätigkeiten mit den anderen beiden Schichten vermischt hat und heute als anthropogen-verkippte Gräberverfüllung vorliegt. Weiterhin fällt beim Vergleich der Radargramme GP1 und GP2 auf, dass in GP1 im Tiefenbereich von etwa 1 bis max. 1,50m fünf vereinzelte, nach unten konkave Reflexionsmuster auftauchen. Diese Muster werden oft fälschlicherweise als zylindrische Objekte/Funde interpretiert. Es handelt sich dabei jedoch um Muster, die auf archäologische Befunde zurückzuführen sind. Sie entstehen, wenn die Wellenimpulse aus einem halbkreisförmigen Befund – im vorliegenden Fall höchstwahrscheinlich ein Grab – zurück reflektiert werden. Je tiefer das halbkreisförmige Grab liegt, desto perfekter die Beugungshyperbel, die bei der Zurückstreuung von Wellen in Richtung Radarantenne entsteht [Goodman und Piro 2013].

Abb. 11: Die Radargramme des Georadarprofils GP3 (zur Lage und Verlauf s. Abb. 1 und 7): oben 700MHz, in der Mitte 250 MHz, unten beide Radargramme überblendet mit Interpretation. ACHTUNG: alle roten Linien sind Annäherungen, s. dazu Erklärungen im Text. Sterne auf dem unteren Interpretationsbild markieren Reflexionsmuster, die auf Objekte/Funde zurück zu führen sind.

Dies verdeutlichen die nahezu perfekten Hyperbeln, die von tiefer liegenden Gräbern im Nordosten des 700MHz-Radargramms auf Abb. 10 erzeugt wurden. Verwirrend an diesen Reflexionsmustern ist, dass die eigentlichen Ausmaße bzw. Umrisse des Befundes/Reflektors auf den Radargrammen nicht zu erkennen sind [vgl. mit. Goodman und Piro 2013]. Alle in Abb. 10 und 11 rot eingetragenen Einzeichnungen sind deshalb zunächst reine Annäherungen an die tatsächlichen Dimensionen der Gräber und müssen mit der entsprechenden Zurückhaltung interpretiert werden. Die Tatsache, dass diese Reflexionsmuster in Radargrammen überhaupt entstanden sind, ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass die Georadarprofile GP1 und GP3 absolut orthogonal zur längsten Seite der Gräber verlaufen (vgl. mit Abb. 3). Reflexionen, die auf menschliche Überreste hindeuten könnten sind dabei nicht in allen vermuteten Gräbern zu sehen, was damit erklärt werden kann, dass die menschlichen Überreste entweder nicht im Bereich des Georadarstreifens liegen oder so klein sind, dass sie vom Georadar in dieser Tiefe nicht mehr detektiert werden können.

In dem Georadarbefund, der räumlich mit dem Grab Models und Henschkes übereinstimmt, finden sich sowohl Reflexionsmuster, die auf ein halbkreisförmiges, vom Georadarprofil längsseits-quer geschnittenes Grab mit einer Tiefe von max. 1,5m unter heutiger Geländeoberfläche, als auch auf Objekte in der Verfüllung eben dieses Grabes hindeuten. Es könnte sich, laut Grabsteinaufschrift, bei diesem Georadarbefund also um das Grab bzw. die Überreste von Hermann Henschke (Grab Nr. 1073) handeln. Um zu erfahren, ob es auf der nördlichen Seite des Grabsteines, also auf der Seite von Walter Model, ähnliche Georadarbefunde gibt, wurde ein weiteres, kürzeres Messprofil direkt auf der Seite mit der Grabnummer 1074, angelegt (s. a. Abb. 1). Eine umfassendere Messung ist derzeit nicht möglich, da ein Grabkreuz oberhalb des Grabsteins einen durchgehenden Einsatz des Georadars nicht zulässt. Die Abb. 11 zeigt die Radargramme, die dabei generiert wurden sowie die dazugehörige Interpretation.

Auf den Radargrammen GP3 in Abb. 11 können zwei Gräber bzw. Gräberreihen im unmittelbar nordöstlichen Vorfeld des Grabes von Model korrespondierend zu Radargrammen GP1 in Abb. 10 wiedergefunden werden. Anders als in GP1 auf Henschkes Seite ist auf der Seite des Grabes von Walter Model aber ein gänzlich anderer Georadarbefund zu verzeichnen: Anhand teils deutlicher Schichtreflexionen ist eine min. 2m breite und 1,5m tiefe Grube zu erkennen. Dieser Befund unterscheidet sich also signifikant von den übrigen Gräbern in den Radargrammen, weil hier die tatsächlichen Ausmaße einer Grube durch das Georadar aufgezeichnet worden sind. Zugleich treten grundsätzlich im Bereich des Grabes von Walter Model deutlich mehr Schichtreflexionen auf, als in anderen gemessenen Bereichen und Grablagen. Diese Beobachtung lässt sich in zweierlei Richtung interpretieren: Es ist möglich, dass die sterblichen Überreste von Walter Model unter anderen Umständen begraben worden sind, als andere Personen in unmittelbarer Umgebung seines Grabes. Dies betrifft insbesondere den Zeitpunkt und die Art und Weise der Anlage des Grabes bzw. die Tatsache, dass Walter Model in ein für ihn geräumtes, schon bestehendes Grab umgebettet wurde. Eine zweite Möglichkeit besteht in nachträglichen Öffnungen der Grablage im Zuge der Umgestaltung der Kriegsgräberstätte oder auch durch Raubgrabungen bzw. Plünderungen, so dass die Grabstelle nicht mehr in der Mitte der 1955 hergestellten Form vorliegt.

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